
Vorhang auf, grosse Bühne. Darauf ein Turm von Trommeln, Congas, Bongos, Cimbeln und Zeugs, das ich noch nie gesehen habe … dann schlendert der erste Musiker rein, setzt sich irgendwo in diesen Wirrwarr und gibt einen Rhythmus vor. Ein zweiter kommt, nimmt den Rhythmus mit einem anderen Instrument auf. Ein Dritter klettert auf den Turm, setzt ein. Ein Vierter, Fünfter. Die ganze Bühne schwingt sich ein, dann kommen mehr Musiker. Der Rhythmus schwappt über den Bühnenrand hinaus. Das Stadion beginnt zu schwingen. Boden, Stühle, Wände. Dann die Leute. Dann noch mehr Musiker auf der Bühne, fast zwei Dutzend jetzt, nur Rhythmus. Dieser Teppich bläst mich glatt weg, rollt über mich und hört nicht auf zu stampfen und zu schwingen und zu pumpen.
Dann erst kommen die Bläser, die Gitarristen, die Akkordeonisten und beginnen die Rhythmen mit Melodien zu bearbeiten, walzen sich durch, kneten das Bummern. Mein Zwerchfell ist ein einziger Resonanzboden inzwischen. Ich darf nicht vergessen Luft zu holen! Jetzt ist die Musik auch bei den Füssen angelangt. Nicht nur bei mir. Das ganze ausverkaufte Hallenstadion wippt, stampft und grooved. Ein Hexenkessel!
Und erst jetzt, zehn Minuten nach dem ersten Taktschlag, kommt der Star auf die Bühne. Ein kleiner, winziger Paul Simon vor diesem riesigen wummernden Turm mit einer Gitarre in der Hand, die er zusammen mit seiner Stimme zum Mikrofon trägt. Er hat diese «Rhythm of the Saints» inszeniert, war in Brasilien, hat Musiker von dort mitgenommen, Lieder zu den Rhythmen geschrieben und die spielen sie jetzt, direkt für unsere Zwerchfelle, wo die Fröhlichkeit, die Ausgelassenheit und die Lebensfreude explodieren. Mitten im Bauch. Und das halten sie durch, zwei Stunden lang, ein Lied ins andere rein, immer tranceartiger bis zur Erschöpfung, bis unsere Felle nur noch schlaff zwischen den Knochen hängen und die Füsse es kaum mehr bis zum Ausgang schaffen.
(Hallenstadion, Zürich, 1991)