Vor allem um die Felder «Resonanz» und «Hingabe» zu öffnen, braucht es Werkzeuge. In die vorherigen Felder wächst der mitteleuropäische Mensch fast automatisch hinein. (In anderen Kulturen, auf anderen Kontinenten sieht das anders aus.) Aber da sich die Felder «Resonanz» und «Hingabe» bei uns im Westen erst seit kurzen gesellschaftlich entwickeln, muss der Einzelne Energie investieren, um sie sich zu erschliessen. Die Werkzeuge, die in diesen und auch allen anderen Feldern von Nutzen sein können, sind individuell ganz unterschiedlich. Ich habe folgende für mich als hilfreich und wertvoll empfunden:
- Teilzeitarbeit
- Meditation
- Reisen
- Psychotherapie
- LebensIntegrationsProzess LIP
- Kinder, Partnerin und Familie
- Sport
- Das integrale Modell nach Ken Wilber
- Natur
Ohne Teilzeitarbeitöffnen sich keine neuen Räume, weil keine Zeit dafür vorhanden ist. Ich habe lange Zeit mehr als 100% gearbeitet, bis ich erkannte, dass das zu viel ist, wenn ich mich weiterentwickeln will. Ich habe die Erwerbsarbeit dann auf 80% zurückgeschraubt. Mit dem Ergebnis, dass ich 100% arbeitete zu einem 80%-Lohn. Dieser Zustand hielt ein paar weitere Jahre an bis ich auf 60 – 70% zurückschraubte – erst mit diesem Schritt änderte sich wirklich Wesentliches. Zum Beispiel konnte ich mich erstmals wirklich auf meine Kinder einlassen. Auch das Verhältnis zwischen mir und meiner Lebenspartnerin verbesserte sich, indem Gleichberechtigung zum ersten Mal im Alltag gelebt wurde, von uns beiden. Oder ich erkannte, dass die Arbeit und die Arbeitswelt wirklich nur eine Welt unter vielen ist; aber eine, die systematisch überbewertet wird (in der westlichen Welt). So gelangte ich zur Überzeugung, dass Teilzeitarbeit die Voraussetzung für eine nachhaltige innere und äussere Entwicklung bildet.
Ich meditiere seit Ende der neunziger Jahre, mehr oder/aber eher weniger regelmässig. Begonnen habe ich mit Zen Meditation, die mir aber zu streng war. Danach übte ich mit einem indisch stämmigen Lehrer Sadhana-Meditation nach Anthony de Mello, was mir wesentlich besser gefiel. Leider kam mein Lehrer bei einem Autounfall in Indien ums Leben. Danach las ich zwei Bücher von Jack Kornfield, einem Meditationslehrer aus Amerika, der Vipassana-Meditation lehrt. Dann begegnete ich Bernie Glassmann, wiederum ein Zen-Lehrer, und war Teilnehmer einer Gruppe, die ihn auf einer Reise durch japanische Klöster begleitete. Dann folgte ich eine Zeit lang den Meditationsanweisungen von Deepak Chopra. Heute wähle ich je nach Bedarf die Methode, die mir für den Moment am geeignetsten erscheint. Sehe aber vor allem, dass die Erfahrungen aus der Meditation im Alltag angewendet werden müssen. Ein Erleuchtungserlebnis oder eine Einheitserfahrung auf dem Meditationskissen zu haben ist fantastisch, aber der Alltag besteht nicht aus Erleuchtungserlebnissen, sondern aus dem Leben selbst. Und die «hundert besten Momente» sind nicht viel mehr als Einheitserfahrungen und deren Interpretation, entstanden in und aus meinem alltäglichen Leben und Erleben.
Reisen ist die schönste Form von Meditation. Wenn ich reise, bin ich weit offen, lasse mich auf das Unbekannte ein, lasse mich berühren von den Menschen im anderen Land, bin fasziniert von der exotischen Natur, lasse mich überraschen und vom Augenblick leiten. Und ich habe Zeit, diese Eindrücke zu verarbeiten.
Es gibt in meinem, und ich glaube in jedem Leben Schatten und Traumata, die sich nur durch psychotherapeutische Unterstützungverarbeiten und integrieren lassen. Eine Untersuchung hat kürzlich gezeigt, dass weniger als zehn Prozent der Schweizer Bevölkerung je in ihrem Leben eine psychotherapeutische Hilfestellung in Anspruch nimmt. Das ist, als ob es genügt, wenn nur jeder Zehnte einmal im Leben turnen würde. Angesichts der Selbstmordrate, den steigenden Depressionen-/Burn out-Diagnosen und dem massiven Konsum von Psychopharmaka sind diese psychotherapeutischen Interventionen klar zu selten, zu sporadisch und demografisch zu schlecht verteilt.
Ich bin mehr schlechten als guten Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen in meinem Leben begegnet. Deshalb rate ich jedem, so lange zu suchen und zu wechseln, bis man den „richtigen“, „passenden“ Therapeuten/Therapeutin gefunden hat. Der Richtige ist derjenige, der innerlich etwas in Bewegung bringt.
Ein guter erster Schritt zur Verarbeitung unbewältigter Schatten bildet der LebensIntegrationsProzess LIP nach Wilfried Nelles. Es handelt sich hierbei um eine Art Aufstellungsarbeit, während der man mit Stellvertretern das eigene Leben in den verschiedenen Lebensphasen aufstellt. Dabei geht es in erster Linie einfach darum, wahrzunehmen was war und was ist. Ohne zu urteilen, ohne zu diskutieren, zu argumentieren und ohne zu begründen. Es ist geschehen und jetzt ist es vorbei und man kann anschauen, was geschehen ist, ohne sich in die alten Geschichten hineinziehen zu lassen. Nelles hat darüber ein Buch mit dem Titel «Das Leben kennt keinen Rückwärtsgang» geschrieben, das ich mit grossem Gewinn gelesen habe. In der Schweiz bietet Ruedi Eggerschwiler LIP-Seminare an (www.eggerschwiler.ch)
UnsereKindersind meine besten Lehrer. Jahrelang bin ich mit der Frage zu Bett gegangen: was hat mich heute am meisten gefreut? Mit dieser Frage habe ich dann nochmals den vergangenen Tag durchlebt und dabei zeigte es sich, dass meine Kinder die grösste Quelle der Freude waren. Es waren nicht berufliche Erfolge, keine Fernsehsendungen oder Filme, nicht Erkenntnisse, sondern mit grossem Abstand die Kinder. Das ist allerdings erst geschehen, als ich mich auf die Kinder einlassen konnte – und dazu brauchte ich Zeit, und dazu war die Voraussetzung die Teilzeitarbeit.
Ohne meine Frau geht gar nichts. Sie ist meine Muse, meine Diskussionspartnerin, meine Reisebegleiterin, meine Partnerin im Geschäft. Sie fordert mich. Sie fördert mich. Und ich sie. Wir sind ein Team und wir leben eine Beziehung, die immer wieder neue Herausforderungen bringt. Wir lassen diese Herausforderungen zu, geben uns und einander Zeit, sie zu meistern oder sie einfach sein zu lassen. Wir lieben einander, seelisch und körperlich. Und wir lassen einander, wenn es ums Sein-Lassen geht. Ohne sie wäre mein Weg der letzten zwanzig Jahre unvorstellbar gewesen.
Ich lebe in einer sehr sportlichenFamilie. Meine Tochter tanzt, mein jüngster Sohn macht Parkour, meine Frau war eine begeisterte Bergsteigerin, übt sich in Yoga, fährt Snowboard, Velo, schwimmt und klettert weiterhin in der Halle. Ich bin der unsportlichste von den dreien, spiele bloss Tennis. Mein Jüngster hat mir zwei Sommer lang Fussball-Unterricht gegeben; das waren sehr schöne Stunden. Und ich fahre auch Ski (siehe Tiefschneefahren). Trotz dieser relativen Unsportlichkeit kann selbst ich nachvollziehen, wie heilend und verbindend Sport wirkt. Sport ist ein elementares und einfaches Mittel, um in Resonanz zu kommen – mit dem eigenen Körper, mit der Musik beim Tanz, mit der Natur beim Parkour und beim Klettern.
Das integrale Modell von Ken Wilberentdeckte ich 1998 indem ich sein Buch «Eine kurze Geschichte des Kosmos» las. Seither treibt mich dieses Modell um. Ich finde, es bietet die umfassendste Landkarte meiner persönlichen und der gesellschaftlichen Entwicklung, die ich kenne. Es vereint westliche und östliche Weisheiten und Erkenntnisse in grosser Zahl und Fülle. Und es ist die Grundlage auf der ich «Meine 100 besten Momente» entwickelt habe. Wilber ist nicht unumstritten (siehe Mark Manson). Aber als ich ihn las fiel es mir „wie Schuppen von den Augen“, so habe ich das damals formuliert. Man könnte auch sagen, dass all die vielen Puzzleteile meines Wissens wie durch eine wundersame Steuerung an ihren Platz fielen.
Ich bin kein Naturmensch. Aber der Kontakt und der Umgang mit Naturhat mich beruflich und privat geprägt. Vor allem habe ich in der Natur gelernt, dass alles seine Zeit hat; dass es ein natürliches Wachstum gibt («Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.»); dass es ein gesundes Mass gibt («Die Rückkehr zum menschlichen Mass» von Eugen F. Schumacher) und dass alles miteinander verbunden ist und nichts unabhängig vom anderen existieren kann («Die Wurzeln des Lebens» von Richard Powers). Ich arbeite sehr oft in unserem grossen Garten. Und ich experimentiere auch immer Mal wieder mit Land Art.
Diese neun Werkzeuge haben mich dorthin gebracht, wo ich heute bin. Und ich bin sehr dankbar, dass ich eine solch umfassende Werkzeugkiste geschenkt bekommen habe.