Der Jardin Majorelle von Yves Saint Laurent in Marakesh

Der Jardin Majorelle von Yves Saint Laurent in Marakesh

Ich habe hunderte von Gärten besucht, aber keiner geht verschwenderischer mit den Sinnesfreuden und mit der Lust an Farben um,  wie der Jardin Majorelle von Yves Saint Laurent in Marakesh. Zwei oder drei Stunden dort eintauchen, herumspazieren, etwas essen im Hof ist eine sich tief einprägende Erfahrung der Lebensfreude und Lebenslust.Mehr als Worte sagen die Bilder in der Galerie (siehe Sidebar), die ich von dort mitnahm.

Harmonie im Bauch

Harmonie im Bauch

Ich bin kein Feinschmecker, aber dieses Hirschfilet von Ueli macht Essen zu etwas Neuem. Ueli trägt Bart und sieht aus wie ein Bergler. Das ist er auch. Sein Restaurant liegt im Rocksresort in Laax, in den Schweizer Alpen und heisst «Grandis». Viel Holz im Innern, rustikale, aber moderne Formen. Eine grosse Vinothek und vor allem: die offene Küche mit dem Holzfeuer, um das sich alles dreht und das man fast von jedem Tisch aus im Auge hat.

Auf diesem Feuer wird das Hirschfilet, die Spezialität des Hauses, grilliert. Dazu servieren sie Polenta und ein bisschen Gemüse. Auch der auserlesene Rotwein gehört zum Gesamtbouquet. Genauso wie der aufmerksame, fast familiäre Service.

Schon beim Ansetzen des Messers auf das Fleisch spüre ich, wie zart es sein wird. Und dann genügt ein einziger, weicher Schnitt, um den Bissen abzutrennen. Kann Fleisch so zart sein, fährt es mir überrascht durch den Kopf? Doch dann liegt das Stück bereits auf der Zunge – und es zergeht! Es zerfliesst in meinem Mund und der Geschmack von Holzfeuer, Wildnis in den Wäldern, Bergluft und röhrender Kraft des Hirsches entfaltet sich zuerst in meinem Gaumen, dann in meinem ganzen Kopf. Wow! Einen Moment fühlt es sich an wie ein Drogentrip. Und meiner Frau, die mir gegenübersitzt, ergeht es genau gleich; ihre Augen weiten sich und über ihr Gesicht legt sich Entzückung. „Ist das gut!!!!!“.

Wir essen weiter und merken, wie sich die Polenta wie eine Bassnote unter den Hirsch legt und ihm Boden gibt. Die Polenta ist sämig und die kleinen Maisstücke darin sind fest und geben Halt, damit das Hirschfilet noch markanter zerfliessen kann.

Und die Gemüse würzen und bringen das Herbale der Bergwiesen ins Spiel. Wir kommen nicht aus dem Staunen und Geniessen raus. Jeder einzelne Bissen ist ein Erlebnis. Und der Teller leert sich viel zu schnell. Aber auch hier beweist Ueli, dass er etwas vom Handwerk versteht: Die Portionen sind exakt von richtiger Grösse, damit keine Schwere im Bauch entsteht und sich diese Bergnaturerfahrung auch im Bauch weiter entfalten kann.

Auf dem kurzen Heimweg vom «Grandis» in unsere Wohnung geschieht dann das, was ich so noch nie erlebt habe: Vom Bauch aus verbreitet sich eine Harmonie in meinem Körper, so dass sich der Körper anfühlt wie ein einziger Klang. Und kaum habe ich diesen Klang wahrgenommen, weitet er sich über meinen Körper hinaus und erfasst den Boden unter mir, die Hauswand neben mir, die ganze Bergwelt um mich herum. Ich spaziere in einem einzigen schönen Klang und das Instrument dafür ist mein Bauch. Ich kann den Klang halten bis ins Treppenhaus und bis fast vor die Wohnungstür, dann verebbt er wieder, zieht sich in meinen Körper zurück, bleibt dort noch als Harmonie bis ich einschlafe und ist als Erinnerung auch heute noch präsent.

(Laax, Schweiz, Winter 2017)