
Sie hat braune Locken, Sommersprossen, Stupsnase und ein schelmisches Lächeln und ich bin verknallt in sie. Und wir stehen in Banyuls-sur-Mer auf dem Pier, zusammen mit ein paar anderen Studienkollegen, vor dem Labor für Meeresbiologie, in dem wir einen wöchigen Kurs geniessen. Tintenfische und Seeigel haben wir im Kopf, als dieser Song zu spielen beginnt: «Love is in the air». Er dröhnt vom Rummelplatz herüber, der aus fünf abgehalfterten Bahnen besteht, auf denen kaum jemand sitzt. Aber er zuckt mir in die Beine, die Schmetterlinge im Bauch beginnen zu flattern wie wild, Tintenfische und Seeigel sind weg. Da nehme ich, tollkühn, die Hand dieses Mädchens und beginne zu tanzen. Und dann tanzen wir gemeinsam über diesen Pier am Meer! Hüpfen, drehen und springen! Tun so, als ob wir fliegen könnten! Und in dem Moment fliegen wir auch wirklich! «Love is in the air»!!! Wir wirbeln herum, auf einander zu und wieder voneinander weg. Die Welt um uns herum, alle Tintenfische und Seeigel sind weg. Unsere Herzen hämmern. Die Welt, die zwar weg ist, sie gehört doch uns, uns zwei allein, für die Dauer dieses Songs. «oh oh oh oh uh»!!
Ich trage sie mit den Sommersprossen hinauf in den Himmel und im Sturzflug geht es wieder hinab. Es ist eine Eroberung des Luftraums und der Frau. Sie dauert eine gefühlte Ewigkeit, 3 Minuten und 22 Sekunden. Dann verstummt der Song und wir laufen mit pochenden Herzen und keuchenden Lungen aus, wie Velofahrer, die nach dem Sprint auf der Zielgerade ausrollen; laufen aufeinander zu, in eine Umarmung hinein. Verwegen wäre jetzt ein Kuss, aber dazu kommt es nicht. Wir halten einander in den Armen und spüren die klopfenden Brüste, atmen den Duft des anderen ein, dann ist es genug. Das verschmitzte Lächeln erscheint wieder auf ihrem Gesicht und auf meinem ein glückliches.
Auf dem Heimweg balanciere ich dann noch über ein Brückengeländer. Zeige ihr wie mutig und tollkühn ich sein kann und spüre die weichen Knie als ich am Ende der Brücke wieder auf den Gehsteig springe.
Mehr als diesen einen Tanz auf dem Pier in Südfrankreich hat es mit ihr nie gegeben.
(Südfrankreich, 1980)