
Ich gehe immer unter. Wenn ich nicht strample und rudere, versinke ich im Wasser. So ist das seit ich lebe. Als Kind war das traumatisch. Ich habe mich auf der Toilette versteckt, zusammen mit einem Schulfreund, als die anderen Schwimmunterricht hatten. Und als wir entdeckt wurden, warf uns der Schwimmlehrer in hohem Bogen in den See. Davon habe ich mich jahrelang nicht erholt. Einigermassen Schwimmen lernte ich dann erst, als meine grosse Liebe mit mir eine kleine Bucht auf der Mittelmeerinsel Elba durchschwimmen wollte. Dass ich das nicht kann, konnte ich nicht zugeben in dieser frühen Verliebtheitsphase. Also bin ich hinter ihr hergeschwommen. Mit einem kleinen, aufblasbaren Ball von Nivea als Notnagel in der einen Hand. Als es unter mir so richtig tief blau wurde, musste ich meine Panik niederkämpfen, indem ich einfach stur auf die schönen Beine meiner Geliebten vor mir starrte. Und als wir dann endlich am anderen Ufer ankamen, konnte ich kaum aus dem Wasser steigen, so stark schlotterten meine Knie. Aber ab dann war der Bann gebrochen. Das Trauma überwunden.
Und kürzlich, als wir wieder einmal in Camogli an der ligurischen Küste ein paar Tage Ferien machten, stieg ich ins Wasser ohne zu Zögern oder zu Zaudern, legt mich auf die Wellen, schwamm und schwebte und hatte zum ersten Mal das sichere Gefühl, dass ich gar nicht untergehen könne. Das Wasser trug mich. Kein Strampeln mehr nötig. Ich konnte ruhige, langsame Schwimmzüge machen. Mein Atem ging regelmässig, leicht und tief. Und ich konnte mich sogar unbeweglich auf den Rücken legen und es geniessen vom Wasser getragen zu werden. So fühlt sich das also an! Ein tiefes Vertrauen in mich selbst und ins Meer stieg in mir hoch. Ich lag da auf dem Rücken in den Wellen, blinzelte zur Sonne hoch und konnte mich einfach treiben lassen.
Zuerst Liebe, dann Vertrauen und du gehst nicht mehr unter!
(Elba, 1998 und Camogli, Liguria, Italien, Frühling 2016)