Bewusste Verbundenheit: Eine Reise auf der Straße des Seins

Bewusste Verbundenheit: Eine Reise auf der Straße des Seins

Ich fahre eine Strasse entlang. Ich halte das Steuer in der Hand.
Das Autodach schützt mich vor Regen, die Blechwände um mich herum geben mir Sicherheit. Der Boden unter mir ist fest und solide.
Ich sehe, wie die Welt auf mich zukommt.
Die Bäume, der Asphalt, der Fahrtwind kommen mir entgegen.
Und dann, von einem Augenblick auf den andern,
ändert sich meine Perspektive:

Die Welt geht jetzt durch mich hindurch.
Die Bäume, der Asphalt, der Fahrtwind gehen durch mich hindurch.
Dach, Blechwände, Boden sind weg. Irgendein Autopilot steuert, auf jeden Fall nicht ich.
Das Mich, durch das alles hindurch geht, ist kein Ich mehr.
Ich bin Baum, Asphalt, Fahrtwind ohne Ich. Ich hat sich aufgelöst.
Alles ist mit allem zutiefst verbunden. Dieses Gefühl ist nicht in mir, sondern allgegenwärtig überall.

Und dann, im nächsten Augenblick,  bin ich wieder am Steuer,
und das ist auch gut so… Ich fahre immer noch und frage mich:
Hat sich jetzt etwas geändert?
Ich hatte offenbar soeben eine tiefes Verbundenheitserlebnis, aber ist jetzt etwas anders? Ich fahre auf der gleichen Strassemit der gleichen Geschwindigkeit. Die Welt kommt mir genauso entgegen wie vorher.
Der Baum ist noch immer mit der Erde verwurzelt und ragt in den Himmel. Der Asphalt ist immer noch Jahrmillionen alter Stein, der jetzt gerade als Asphalt daherkommt . Und der Fahrtwind bläst mir noch immer ins Gesicht.
Nichts hat sich verändert für sie. Sie waren und sind immer eingebettet in diese tiefe Verbundenheit.  Einzigartig und in der Einheit.
Für Baum, Asphalt und Fahrtwind war ich immer der, der ich bin, ungetrennt und verbunden mit ihnen und allem.

Und für mich?  Hat sich für mich etwas geändert?
Was ist in diesen paar Augenblicken für mich geschehen?
Ein Tor ist kurz aufgegangen.
Eine Wand, die nur ich sehe, ist weggebrochen.
Für ein paar Augenblicke war ich nicht mehr getrennt von allem andern.
Für ein paar Augenblicke war ich verbunden mit der Wirklichkeit ausserhalb meiner Fahrbahn. 
Und ich realisiere jetzt, dass dieses Tor nicht aufgegangen ist, sondern eigentlich schon immer offen stand. Es ist ein torloses Tor, wie die Zen-Leute sagen. Und es hat mich kurz über seine Schwelle gezogen. Dieses Hinübergezogen-Werden kann ich nicht machen, es ist ein Geschenk, eine Gnade vielleicht.
Aber ich realisiere jetzt, dass diese Wand, die mich trennt, meine Illusion ist. Aus dieser Illusion der Getrenntheit bin ich aufgewacht. 
Hinter diese Erfahrung kann ich nicht zurück.

Doch jetzt halte ich wieder das Steuer in der Hand, ich bremse, ich beschleunige, ich höre Musik, ich fühle mich sicher mit den verbliebenen Wänden um mich herum und dem Dach überm Kopf.

Für den Baum hat sich nichts geändert. Und auch nicht für die Asphaltfahrbahn, die schon immer durch dieses torlose Tor führte, genauso wie der Fahrtwind schon immer da hindurchblies.
Vielleicht spüren sie, dass für mich diese eine Wand weggebrochen ist, weil alle mitfühlenden Wesen es spüren, wenn sie einem offenen Herzen begegnen.
Ich spüre es und ich weiss jetzt: Ich bin  der Weg.

#Ankommen

#Ankommen

Der Auslöser für den Titel #Ankommen ist eine Umkleidekabine. Ich bin mit meinem Sohn auf Einkaufstour. Er braucht eine neue Skijacke, ich ein paar Wintersocken. Mit suchenden Blicken passieren wir Regale, nehmen dort ein Stück heraus, um es genauer zu betrachten, schieben an einem anderen ein paar Bügel beiseite, um einen besseren Blick zu bekommen. Schliesslich probiert er eine erste Jacke: nicht schlecht, die Ärmel sind vielleicht eine Spur zu kurz. Danach ein zweite: nein, die Farbe sah zwar am Bügel gut aus, an ihm aber nicht. Die dritte: er schlüpft rein in die Ärmel und sie umschliessen seine Arme wie eine zweite Haut, er zieht den Reissverschluss hoch bis unters Kinn und es ist als würde sein Körper in eine vollendete Form fallen – das Stück passt perfekt, Farbe, Form, Material, einfach alles.

Manchmal, selten genug, passiert’s, wenn man Kleider anprobiert. Dann gibt es keinen Zweifel mehr. Dieses Stück und kein anderes muss es sein. #Ankommen. Man kommt zu diesem Kleidungsstück als ob es für einen bestimmt wäre; als ob es die ganze Zeit da im Regal gehangen und auf einen gewartet hätte. Wunderbar! Es sind diese Stücke, die einem lange erhalten bleiben und von denen man sich nur mehr ungern trennt, selbst wenn man aus ihnen herausgewachsen ist.

Man geht in Resonanz mit diesem einmaligen Ding. Das geschieht plötzlich, ist nicht vorhersehbar, und auch mit ausführlichen Internetrecherchen nicht planbar.

Bei mir gibt’s das bei Autos. Jahrzehntelang betrachtete ich Autos als Vehikel, um von A nach B zu gelangen. Die einen etwas komfortabler als die anderen. Aber irgendwann, nachdem unser alter Ford kaputt gegangen war, setzte ich mich in einen Jaguar X-Type. Und da war es: alles passte wie angegossen; ich sass auf schwarzen Ledersitzen, die sich an meinen Rücken und meine Oberschenkel schmiegten, ich genoss die gediegende Atmosphäre, die das Armaturenbrett aus Holz verbreitete; ich freute mich am Klang des surrenden 6-Zylinder-Motors; alles war handlich, passend, auf mich zugeschnitten, einfach wunderbar. Ich kaufte das Teil und erlebte mit ihm die beste Autofahrzeit meines Lebens.

#Ankommen kann man auch:

  • im Körper
  • beim Essen
  • daheim
  • im Beruf
  • in einem Buch
  • in einem Film
  • in einer Freundschaft
  • beim Sex
  • in einem Land
  • in einem Garten
  • bei einer Hose

Es ist dingliches, materielles Verbundensein. Wenn’s passiert, erlebt man Resonanz.

(2017)